Fida Rezayi ist ehemaliger Bewohner der Unterkunft für Geflüchtete am Quittenweg. Unterdessen lebt er in einer eigenen Wohnung in Marzahn, engagiert sich aber weiterhin ehrenamtlich in Altglienicke. In Form eines Interviews wollen wir mehr über ihn und seine ehrenamtliche Tätigkeit erfahren.

1. Können Sie sich kurz vorstellen? Wie sind Sie aufgewachsen? Warum kamen Sie hierher?

Mein Name ist Fida Rezayi. Seit 5 Jahre lebe ich nun hier in Deutschland. Ich bin in Afghanistan geboren und aufgewachsen. In Afghanistan herrscht seit vielen Jahren leider Krieg. Kriege haben stets die Folge, den Menschen alles wegzunehmen. Wie Sie auch in den sozialen Medien verfolgen können, werden in Afghanistan regelmäßig Menschen, die studieren und sich weiterbilden, umgebracht. Auch Schulen werden dort attackiert. Von daher muss man feststellen: Afghanistan ist kein Ort zum Leben und für die eigene Fortentwicklung. Man kann nicht in einem Haus gefangen sein und sich weiterentwickeln. Es ist einfach nicht möglich, sich weiter zu entwickeln, ohne etwas zu lernen. Das Leben in Afghanistan ist sehr hart und bedrängend. Es gibt keine Sicherheit und Ruhe im Land. Die Menschen flüchteten und flüchten aus Afghanistan nicht aufgrund Hungers. Es erfolgt immer wegen Unsicherheit, Unruhe und Angst um das eigene Leben. Man hat in seiner Lebensentwicklung darunter sehr gelitten. Leider sind immer wieder nicht-europäische Länder gekommen und haben alles kaputt gemacht, dabei auch gemordet und Nachbarländer angegriffen. Und hier in der Europäischen Union, etwa in Frankreich, leben viele Flüchtlinge im Zelten, obwohl Frankreich sonst sehr viel über Menschenrechte redet. In Deutschland sind mehr Flüchtlinge als in anderen EU-Ländern aufgenommen wurden, aber keine Flüchtlinge schlafen hier auf der Straße, bleiben ohne Geld oder ohne Kleider. Die Kinder gehen hier zur Schule. Man hat ein Dach über den Kopf.

2. Welche Träume hatten Sie gehabt, als Sie in Afghanistan waren?

Als ich in Afghanistan war, hatte ich für mich den Wunsch gehabt, zu studieren und mich weiterzubilden, damit ich dann auch in meiner Heimat etwas für die Gesellschaft leisten kann. Aber leider es hat nicht geklappt, es gab keine Möglichkeit für mich und sie wurde auch nicht ansatzweise gegeben. Ich konnte dort leider nicht lernen. Deswegen bin ich schließlich geflohen.

3. Welche Tätigkeit hatten Sie in Afghanistan. Wie haben Sie dort gearbeitet? Wie war das Leben für Sie?

Unser Leben an sich war sonst gut. Ich habe gearbeitet. Ich arbeitete in einer bekannten Firma, ich habe sogar die Zertifikate davon. Ich war sehr zufrieden mit meinem Einkommen. In Afghanistan verdiente ich 700-800 Dollar, es war ein sehr guter Lohn. Ich hatte das alles, aber leider gab es diese Situationen, die ich bereits schilderte, die das Leben dort schwierig machten. Deswegen musste ich nach Europa flüchten.

4. Sie sind aus Afghanistan nach Europa gekommen. Wie haben Sie sich während der Reise gefühlt?

Man verlässt sein eigenes Land mit einem Gefühl von Hoffnungslosigkeit, aber auch mit der Hoffnung, von einem besseren Leben in der Zukunft. Ich musstedabei  sehr viele Probleme bewältigen, von Hunger bis halt viele andere Probleme. Jetzt bin ich hier, und ich bin zufrieden.

5. Was war Ihr Gefühl, als Sie in Deutschland angekommen sind?

Ich hatte ein sehr gutes Gefühl gehabt, weil die Menschen in Deutschland nett sind und gastfreundlich. Sie haben mir geholfen, einen Platz und ein Zuhause zu geben, endlich die Möglichkeit zum Lernen gegeben. Und deswegen, bin ich ihnen sehr dankbar.

6. Wo haben Sie hier in Deutschland gewohnt? Und wie war das für Sie?

Als ich nach Deutschland kam, habe ich zunächst in einem Heim für Flüchtlinge gewohnt. Das Leben im Heim war sehr schwer, ich habe Depressionen bekommen, nehme seitdem Medikamente und gehe zum Arzt. Die Mitarbeiter im Heim waren sehr nett, die haben uns geholfen, und das war sehr gut. Die Mitarbeiter, die im Heim gearbeitet haben, waren alle sehr gut. Die haben uns immer wieder bei ganz vielen Problemen geholfen. Es gab gar keinerlei Probleme mit ihnen.

5. Haben Sie alleine in Heim gewohnt oder mit der Familie?

Das Leben im Heim war sehr schwer. Ich war alleine dort, ohne meine Familie. Diese Art allein zu sein, fernab der Familie, ist nicht einfach. Ich hatte ebenso keine Freunde oder jemand, mit dem ich mal mindestens für eine Stunde einfach reden oder etwas erzählen konnte. Deshalb war die Zeit sehr hart. Ich bin immer noch allein ohne Familie hier.

6. Lebt Ihre Familie noch in Afghanistan?

Ja, sie lebt in Afghanistan.                                                                                                    

7. Haben Sie dort noch Kinder, Vater und Mutter?

Ja, ich habe dort eine Mutter, eine Frau und Kinder. Mein Vater ist leider vor längerer Zeit gestorben.

8. Sie haben auch ehrenamtlich gearbeitet. Möchten Sie darüber reden? Welche Tätigkeit war das, und wie war das für Sie?  

Zur ehrenamtlichen Arbeit, die ich gemacht habe, sage ich vorweg, ich liebe es zu arbeiten und Menschen zu helfen. Wenn ich jemand helfen kann, will ich nicht zögern. Deswegen hatte ich im Heim gerne ehrenamtlich gearbeitet, so beim Saubermachen geholfen und Bäume gepflegt. Auch im Café Quitte habe ich Geschirr gewaschen und verschiedene Hilfe geleistet. Und jetzt helfe ich beim Reparieren von Fahrrädern. Mir macht es einfach Spaß, Menschen zu helfen. Die Menschen in Deutschland sind sehr tolle Menschen.

Möchten Sie vielleicht noch etwas mehr über Ihre ehrenamtliche Tätigkeit sagen? Und was Sie sonst noch so machen?

Ich habe im Heim allerlei Tätigkeiten ausgeführt, etwa drinnen und auf dem Außengelände geputzt sowie den Müll weggeräumt. Das Heim war jeden Tag sauber. Ich habe das immer jeden Tag am Nachmittag gemacht. Es lag nie etwas lange rum, ich habe immer alles sofort aufgeräumt. Ferner habe ich darüber hinaus mit dem BENN-Team die Hecken im Kosmosviertel geschnitten. Und jetzt baue ich Fahrräder wieder zusammen. Ansonsten habe ich auch noch zetweise bei einem Fliesenleger gearbeitet. Aber leider, wegen Corona, musste ich bei meinem Chef erzwungenermaßen wieder aufhören, weil er nicht mehr bezahlen konnte. Das war hier mein erster Vollzeitjob. Corona hat alles schwer gemacht.

7. Wie ist es für Sie hier in Deutschland zu sein? Wie können Sie mit diesem kulturellen Unterschied umgehen?

Deutschland verfügt über eine tolle Kultur. Da ich niemanden hier hatte, erlebte ich früh wie reich die Deutschen an Kultur sind. In Deutschland leben sogar Menschen mit vielen verschiedenen Kulturen. Es sind gute Menschen. Die kulturelle Vielfalt hier ist schön, ob von Deutschen oder Ausländern. Deutschland ist ein Land mit vielen Möglichkeiten und Entwicklungschancen. Man kann in Deutschland sich viel weiterbilden und hat dadurch auch viele Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Ich lerne und arbeite unterdessen hier, damit ich für mich ein Leben aufbauen kann. Hier hat man so viele Möglichkeiten, wenn man sich Mühe gibt. Wer sich etwas aufbauen will, schafft es auch. Ich lerne gerade die deutsche Sprache, will meine B1-Sprachqualifikation schaffen und richtige Arbeit finden.

8. Sie haben gesagt, dass Sie seit 5 Jahre hier in Deutschland sind. Wie weit sind Sie in der Gesellschaft angekommen? Denken Sie angekommen zu sein? Oder sind Sie noch auf dem Weg dahin? Was meinen Sie dazu?

Ich bin in der Gesellschaft angekommen. Ich habe deutsche Freunde. Mittlerweile kann ich mit ihnen sprechen und so immer besser in Kontakt treten. Und wenn sie Hilfe brauchen, helfe ich ihnen gerne. Früher hatte ich noch das Gefühl fremd zu sein, aber jetzt fühle ich mich gut. Meine deutschen Freunde verstehen mich. Ich bin selber noch nicht so zufrieden mit meinen Deutsch-Kenntnissen, aber sie sagen immer: „Du kannst gut Deutsch, wir verstehen Dich.“

9. Was wollen Sie künftig tun?

Meine Arbeit war zuletzt Fliesenleger und Fahrräder zu reparieren. Das wäre auch künftig etwas. Ich habe früher auch mal im Bereich Automechanik gearbeitet, was ich ebenso gerne wieder machen würde. Ich möchte eine Arbeit mit gutem Lohn finden.

10. Welche Träume haben Sie jetzt?

Ich wünsche mir sehr meine Familie wieder zu sehen. Ich wünsche mir auch, dass sie hierher kommen können. Ich habe meine Familie, Frau und Kinder, seit sechs Jahren nicht mehr gesehen. Ich will meine Deutsch-Kenntnisse so weit bringen, dass ich keine Sprachprobleme mehr habe. Da ich mal eine gut bezahlte Arbeit gelernt habe, möchte ich gerne wieder einen gut bezahlten Job finden, der mich interessiert und den man letztlich gerne ausübt. Entweder mache ich noch mal eine Ausbildung oder werde halt in einem möglichen Job arbeiten.

11. Was ist denn Ihrer Meinung nach ein guter Job?

In Deutschland sind prinzipiell alle Berufe gut. Besonders gerne würde ich halt wieder als Fliesenleger arbeiten oder darin Fahrräder zu reparieren. Ich habe ja viel Erfahrung darin gesammelt.

12. Wissen Sie, wie Sie ihre Ausbildung erreichen wollen?

Ich habe ja wie gesagt schon viel Erfahrung als Fliesenleger sammeln können. Ich weiß, was hierbei zu tun ist und will mich gerne darüber hinaus weiterbilden, so dass ich mich vielleicht eines Tages selbständig machen kann. Aber noch ist es dafür zu früh ist, denn meine Deutsch-Kenntnisse sind noch nicht gut genug. Aber wenn mein Deutsch besser wird, werde ich mich entscheiden, was ich letztlich mache und was für mich besser ist.  Ich bin seit fünf Jahren hier im Deutschland und habe noch nie schwarzgearbeitet und werde das auch künftig nie tun. Ich mag so etwas überhaupt nicht. Ich will hier nur gemäß der Gesetze arbeiten.

10. Möchten Sie vielleicht noch etwas loswerden?

Ich weiß nicht, worüber ich sonst noch sprechen soll. Vielleicht über meine Ankunft hier in Deutschland. Als man ankam, wurde man bei der Wahl des Deutsch-Sprachkurses nach dem Herkunftsland gefragt. Als wir mit Afghanistan antworteten, sagte man uns: „Es gibt für die Afghanen keinen Deutsch-Kurs.“ Wir haben gefragt: „Warum?“ – Die Antwort: „Wir wissen es nicht.“
Warum werden da zwischen Ausländern Unterschiede gemacht? Sind wir keine Menschen? Was haben wir getan? Was haben wir weniger aus die anderen? Wir haben Hände und Füße, die anderen Ausländer haben auch Hände und Füße. Warum haben sie zwei Jahre lang uns das Lernen vorenthalten? Deswegen, tut es mir sehr leid, dass ich zwei Jahre überhaupt nicht richtig die Sprache lernen konnte. In zugelassene Kurse haben sie uns einfach nicht aufgenommen. Die Einrichtungen für Deutschkurse haben immer gesagt, ihr habt keinen Aufenthaltsstatus hier und dürft daher nicht am Kurs teilzunehmen. Wir können Sie leider nicht anmelden, hieß es. In diesem Zustand haben viele Leute, die gerne lernen wollten, leider Depression bekommen und gefährliche Wege eingeschlagen. Etliche begannen Alkohol zu trinken, in Parks die Zeit tot zu schlagen, schliefen bis mittags etc.. Alles, weil wir nicht lernen könnten. Wenn wir in Sprachkurse früher hätten lernen können, wären wir zwei Jahre früher in der deutschen Gesellschaft angekommen. Wenn wir diese zwei Jahre voraus hätten, wären wir jetzt schon bei der B1-Sprachqualifikation und könnten arbeiten. Deswegen tut es mir sehr leid.

Welche glücklichen oder fröhlichen Momente haben Sie in Deutschland erlebt? Etwas, was sie besonders glücklich gemacht hat?

Da gab es vor allem eines. Ich bin hier in Deutschland das erste Mal richtig glücklich gewesen, als ich eine Wohnung gefunden hatte. Eine Frau in Schöneweide hatte mir dabei geholfen, eine Wohnung zu finden. Ich bin ihr sehr dankbar. Das empfand ich als großes Glück, denn anders als in dem Heim muss ich nicht mehr mit anderen zusammen im selben Zimmer wohnen. Weil ich Tabletten nehme und auch nicht gut schlafen kann. Deshalb will ich nicht in eine Wohnung, in der mehr als zwei Menschen leben. Dabei kommt hinzu, dass ich selber ein sehr ruhiger Mensch bin. Ich mag keine Lautstärke oder Musik. Deshalb mag ich es alleine zu wohnen, oft zu lernen und wenn ich Lust habe, auch meinen Lieblingsfilm zu schauen, bis ich dann schlafen gehe - und morgens aufwache, um dann weiter lernen zu gehen.

Von meiner Seite ist das Interview zu Ende, aber ich wiederhole mich nochmal: Wenn Sie trotzdem noch was erzählen wollen oder ein paar Worte mitgeben wollen, ist hier noch mal die Chance…

Schade, dass meine Worte nicht alle erreichen, aber ich hätte gern noch ein paar Worte zu Migranten gesagt, insbesondere an alle Migranten aus Afghanistan. Dass alle Lernen und eine normale gesetzliche Arbeit leisten sollen. Aus seiner Arbeit heraus kann jeder einen angemessenen Lohn bekommen, um sich selbst zu finanzieren. Die Miete bleibt sicher auch nicht immer so, irgendwann wird alles teurer. Wenn man keine gesetzliche Arbeit hat und auch keine Steuer bezahlt, mit welchem Geld soll das alles finanziert werden? Daher ist und bleibt die gesetzliche Arbeit eine Voraussetzung, dass alles in Deutschland funktioniert.